Darum könnte grüne Energie schon bald kaum noch etwas kosten
Von Rafael Laguna de la Vera, Thomas Ramge
Auch Solaranlagen auf Dächern könnten dazu beitragen, dass Energie eines Tages zu günstig zum Abrechnen sein wird
Angesichts der steigenden Energiepreise ist kaum vorstellbar, dass es Wind- und Solarkraft bald im Überfluss geben wird. Tatsächlich gibt es aber die nötige Technologie und das Kapital, wie Beispiele zeigen. Damit könnte eine Zukunftsvision aus den 1960er-Jahren Realität werden.
Wie günstig kann grüner Strom sein? Die indische Ingenieursgesellschaft L&T baut zurzeit in Saudi-Arabien das Solarkraftwerk Sudair mit einer Leistung von 1500 Megawatt. Das entspricht in etwa der Leistung eines großen Kohlekraftwerks. Sudair soll im Laufe dieses Jahres in Betrieb gehen und den günstigsten Solarstrom der Welt liefern: ein Cent pro Kilowattstunde.
Im benachbarten Abu Dhabi steht eine 2000-Megawatt-Solaranlage kurz vor Fertigstellung, bei der der Stromnetzanbieter die Kilowattstunde für 1,15 Cent abnimmt. Windstrom lässt sich in Europa an guten Standorten heute für rund vier Cent pro Kilowattstunde erzeugen, mit Großwindrädern neuer Bauart alsbald für drei Cent. Der Preisverfall der letzten zehn Jahre lässt bei Offshore-Windparks hoffen: In zehn bis fünfzehn Jahren könnte der Preis sich der Ein-Cent-Marke nähern. Bei Strom aus Wasserkraft sieht es ähnlich aus.
Damit arbeiten sich regenerative Energien an eine technische Vision aus den 1960er-Jahren heran: „too cheap to meter“ – Energie lässt sich künftig so günstig produzieren, dass es sich gar nicht mehr lohnt, diese abzurechnen.
Energieintensive Produktion muss dorthin wandern, wo es grüne Energie im Überfluss gibt. Vielleicht müssen wir den Stromnetzbetreibern künftig eine kleinere Flatrate zahlen, so wie heute den Telefonnetzbetreibern. Zwanzig Euro im Monat für 20 Kilowatt Spitzenlast wäre ein realistischer Wert, für 100 Euro gäbe es 100 Kilowatt fürs Gewerbe. Sozial Schwache können hier einfach befreit werden, mit sehr überschaubaren Kosten für die Solidargemeinschaft. Und was die Speicherung angeht: Hier gilt im Kern das gleiche wie für die Erzeugung.